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Mit Musik verbinde ich...

 

Mit Musik verbinde ich eigentlich jeden Moment meines Lebens. Dabei spielt die klassische Musik, die ich mir zum Beruf gemacht habe, ebenso eine Rolle wie diverse andere Genres auch: 

Jazz, an dem ich mich immer wieder am Klavier versuche, und dessen Spontanität uns “Klassikern” so sehr abhanden kommt, dass wir zumeist nur mit neiderfülltem Herzen lauschen können, Modulationen und harmonieeigenen Soli, die unseren Geist erweitern (hoffentlich). 

Man lernt nie aus. 

Rock und Popmusik, der ich einige Jahre meiner Jugend in einer eigenen Band gewidmet habe, jede Woche Proben im Keller eines Freundes, oder im Jugendzentrum, von melodischen Klängen über gitarrenverzerrte Akkorde bis zu Heavy-Metal-nahem Gegröle. Ich am Keyboard, am Mikrofon, heute noch hin und wieder an der Gitarre, zurück zu den weichen Klängen der oft so fantastischen Singer-Songwriter unserer Tage. 

Jede Phase ist ein Baustein unserer musikalischen Erziehung. Von außen bewirkt, von innen getragen. Nur dann hat sie langfristig Bestand.

 

Mit Musik verbinde ich...

 

Mit Musik verbinde ich meine Erziehung. Ich bin aufgewachsen in einem Dorf bei Stuttgart, Musikereltern. Das hat vor allem einen großen Vorteil: alle Möglichkeiten. Ich wusste früh wie es in einem Orchestergraben aussieht, auf einer Hinterbühne, ich begann mit fünf Jahren das Klavierspiel, mit Acht bekam ich dann das heiß ersehnte Cello. Ich wurde immer unterstützt, ich hatte alle Möglichkeiten einer umfangreichen Ausbildung, ich war immer umgeben von Musik.

Der Nachteil an diesem großen Vorteil ist vor allem einer: die Musikereltern. 

Druck habe ich niemals erfahren, aber das zu tun, was die eigenen Eltern tagtäglich in ihrem Beruf ausüben, birgt immer Konfliktpotenzial. Musikalische Achterbahnfahrten in der Jugendzeit verbinden und trennen mich gleichermaßen mit meinem musikalischen Selbstverständnis, auch wenn es (in meinem Fall) zu einer späten Einsicht führte, gänzliche Abwendung ausgeschlossen.

Heute stelle ich mich selbst dieser Herausforderung. Meine zwei Töchter sind musikbegeistert, viele Möglichkeiten, alles richtig zu machen. Oder auch nicht. Wohin es führt, man wird sehen, und daraus lernen, in jedem Fall...

 

Mit Musik verbinde ich...

 

Mit Musik verbinde ich Selbstständigkeit. Von einem der auszog, diese Verbindung zu suchen. Zum Musiker-sein gehört nicht nur Leidenschaft, Begabung, Hingabe, sondern auch Fleiß. Tägliches Üben seit dem fünften Lebensjahr und ein umfangreiches Studium, mich führte es zuerst nach Düsseldorf, wo ich zwei Jahre bei Gotthard Popp studierte. Danach nach Rostock, wo ich mein Bachelorstudium bei Julian Steckel und mein Masterstudium schließlich bei Antoaneta Emanuilova beendete. In dieser Zeit war ich Stipendiat der DOMS-Stiftung Basel und der Sinfonima Stiftung Mannheim. Eine intensivere allumfassend musikalische Zeit als das Studium gibt es wohl erst wieder zur Rente (wenn man das denn will). Die Selbstständigkeit spielt hierbei eine tragende Rolle, die wir jeden Tag aufs Neue trainieren müssen. Kein Acht-Stunden Bürojob mit Häkchen auf einer To-Do-Liste, und doch erwische ich mich hin und wieder dabei, den Übeprozess genau so aufteilen zu wollen, dem inneren Wunsch nach Struktur zu folgen, nur um ihn im nächsten Moment wieder aufzubrechen. Zum Glück...

 

Mit Musik verbinde ich...

 

Mit Musik verbinde ich Struktur. Und Gegensätze. Ja, in meiner unendlich erfüllenden Arbeit als Dozent an der Hochschule für Musik und Theater Rostock, wo ich seit 2018 sowohl Vor- und Jungstudenten der YARO (Young Academy Rostock), als auch Hauptfachstudenten, Orchesterstellen und Literaturkunde unterrichte, ertappe ich mich dabei, Gegensätze zu vermitteln. Warum kommt es vor, Dinge an zwei Tagen völlig unterschiedlich vermitteln zu können, ohne sich dabei zu widersprechen? Eine weitere geheimnisvolle Verbindung der Musik, deren Sprache sich nicht in Gegensätze auflösen lässt, die nicht in schwarz und weiß spricht, deren Wahrheitsgehalt sich weit tiefer ergründen lässt als in forte und piano. 

Struktur in meiner ersten zweiten Arbeit, als Solocellist der Norddeutschen Philharmonie Rostock. Orchesterarbeit, eine Verbindung zwischen musikalischer Hingabe, psychologischer Sozialarbeit und Handwerk. Auch das verbindet die Musik.

Die Handwerker im Graben, die das Bühnengeschehen stützen, mir hat der Gedanke immer sehr gut gefallen. Solist sein und siebzig bis hundert musikalische Seelen miteinander zu verbinden, auf der Bühne die Aufgabe jedes einzelnen Orchestermusikers. 

Musik verbindet auch Verantwortung mit Vertrauen, Grundsäulen des humanitären Denkens, die den Wert unseres Kulturgutes nur einmal mehr unterstreichen.

 

Mit Musik verbinde ich...

 

Mit Musik verbinde ich Erfolg und Misserfolg, Fliegen und Fallen, reisen und seit Neuestem auch zu Hause bleiben. Mein ständiger musikalischer Begleiter ist dabei mein Instrument, ein Cello von Peter Wamsley aus dem Jahr 1760. Ein alter Opa, durch den ich meine Geschichten erzählen kann, verbindend und verbindlich sprechen möchte. Zahlreiche Projekte, kammermusikalische wann immer ich kann, aber auch solistische Konzerttätigkeiten lassen einen viel herumkommen, im Ausland und Inland. Aushilfen als Solocellist in anderen Orchestern, CD-Aufnahmen mit Ensembles, Solokonzerte mit dem eigenen Orchester, jede Nische von unterschiedlichem Ausmaß, die ich erkunde, verbinden neue Eindrücke, Orte, Menschen, Musikerpersönlichkeiten, Auffassungen mit dem eigenen musikalischen Bild, verbinden Selbstreflexion mit eigener Überzeugung. 

Für uns Cellisten ist das lebende Beispiel für diese Verbindungen die Beschäftigung mit den Bachsuiten. Sechs Werke, ein Werk, unergründlich, jeden Tag neu, all unsere musikalische Kraft, uns jeden Tag zu hinterfragen und doch dafür einzustehen, was die Musik in ihrem Grundsatz verbirgt:

Denn Musik ist die Verbindung aller Bausteine. Beim Cellospiel, wie bei allen anderen Instrumenten, in allen Genres, in aller Welt: Musik ist die Verbindung von Tönen, die Verbindung von Emotionen, von Persönlichkeit und Darbietung, die Verbindung vom Musiker zum Publikum, die Verbindung von Geist und Seele und für jeden von uns oft einmal mehr: die Verbindung von eigentlich jedem Moment unseres Lebens.

 

 Daniel Paulich, 2020